In den Wartezimmern unserer Praxen warten nicht nur Frauen. Männer sind ein wichtiger und willkommener Teil unseres Praxis- und Klinikalltags. Männer begleiten ihre Partnerinnen zur Geburt, zu Schwangerschaftskontrollen, zu Beratungsgesprächen im Falle ernster Diagnosen oder in die Kinderwunschsprechstunde. Auch betreffen viele Themen, die uns in der gynäkologischen Sprechstunde begegnen nicht nur die Frau, sondern das Paar. Dies macht das Thema Männermedizin für uns so wichtig. Bezüglich der eigenen Vorsorge ist es noch immer so, dass Männer eher seltener und später Urologin oder Andrologin konsultieren als Frauen, für die die regelmässige Vorsorgeuntersuchung schon in jungen Jahren Teil der Routine ist. Neben der Vorsorge werden Gesundheits- und Lebensthemen besprochen, wie seelische/ sexuelle Gesundheit. Hingegen fehlt den heranwachsenden Männern leider oft die ärztliche Bezugsperson, zum Kinderarzt möchte man nicht mehr gehen, weil man sich mit 17/ 18 dafür zu alt fühlt und der Gang zum Männerarzt/ Männerärztin ist vielen peinlich.
Wo hat das Thema Männermedizin in der gynäkologischen Sprechstunde Relevanz?
- Infektionen: wird bei einem Partner eine sexuell übertragbare Krankheit wie beispielsweise Chlamydien, Gonokokken diagnostiziert, sollte auch der Sexualpartner/ die Sexualpartnerin untersucht und behandelt werden
- HPV (Humanes Papillomavirus): dieses sexuell übertragbare Virus kann bei Frauen Gebärmutterhalskrebs, bei beiden Geschlechten unter anderem Feigwarzen oder Analkrebs verursachen. Männer sollten sich bewusst sein, dass HPV auch sie betreffen kann und sich im Rahmen der Vorsorge auf HPV-bedingte Veränderungen untersuchen lassen. Bei Auftreten von Feigwarzen bei beiden Geschlechtspartnern, sollten diese auch bei beiden behandelt werden, um eine gegenseitige Ansteckung zu verhindern. Wichtig zu wissen ist, dass die Impfung gegen das HPV-Virus mittlerweile für beide Geschlechter empfohlen wird, nämlich im Rahmen des kantonalen Impfprogramms für Mädchen/ Frauen und Jungen/ Männer im Alter von 11-26 Jahren. Eine Impfung gegen HPV kann auch zu einem späteren Zeitpunkt noch sinnvoll sein.
- Verhütungsberatung: eine unerwünschte Schwangerschaft betrifft Mann und Frau und somit auch das Thema der Empfängnisverhütung- wir führen wir Beratung zur Kontrazeption, falls gewünscht, gern mit beiden Partnern durch.
- Unerfüllter Kinderwunsch: bleibt eine erwünschte Schwangerschaft aus, ist es uns ein grosses Anliegen, Mann und Frau in unserer Kinderwunschsprechstunde umfassend zur beraten und bei beiden diagnostische Schritte einzuleiten. Neben einer umfassenden Untersuchung bei der Frau, ist die Durchführung einer Spermienanalyse beim Mann erforderlich. Sollten sich hier Abweichungen von der Norm zeigen, empfehlen und organisieren wir eine andrologische Abklärung. Der Androloge/ die Andrologin (Männerarzt/ Männerärztin) führt eine körperliche Untersuchung durch und leitet ein Kontrollspermiogramm ein. Gelegentlich werden in der andrologischen Abklärung fertilitätsrelevante Erkrankungen festgestellt oder auch solche, die nichts mit dem unerfüllten Kinderwunsch zu tun haben. Somit könnte eine organische Erkrankung entdeckt werden, die ansonsten unerkannt geblieben wäre.
- Sexuelle Funktionsstörungen können bei beiden Geschlechtern vorkommen und eine Belastung für die Betroffenen/das Paar darstellen. Für die meisten Frauen ist es mittlerweile normal, mit ihrer Gynäkologin über das Thema Sexualität zu sprechen. Ist ein Mann von einer sexuellen Funktionsstörung betroffen, wie einer erektilen Dysfunktion, ist es ihm oft unangenehm mit einer Fachperson darüber zu sprechen oder es ist ihm unklar, welche Fachperson für das „Problem“ zuständig ist. In diesem Fall empfiehlt sich der Gang zum Andrologen/ zur Andrologin oder zur auf Andrologie spezialisierten Urolog*in.
- Vorsorge bei Männern: in der Schweiz ist die Vorsorgeuntersuchung der Prostata erst ab dem 50. Lebensjahr empfohlen, sind Verwandte mit Prostatakrebs bekannt, sollte der erste Check bereits mit 45 Jahren stattfinden. Eine Darmspiegelung sollte spätestens mit 50 Jahren erstmals durchgeführt werden. Somit kommt die Vorsorge bei den Männern 20-30 Jahren später als bei den Frauen, denen der erste Krebsabstrich mit bereits 21 Jahren empfohlen wird. Ein Ungleichgewicht, das unserer Meinung nach rechtfertigt, dem Thema Männergesundheit in der gynäkologischen Sprechstunde Raum zu geben.
Wir sehen es als unsere Aufgabe als Gynäkologinnen an, unsere Patientinnen zu ermutigen, ihren Partnern, Söhnen, Brüdern, Schwägern, Freunden, Vätern die empfohlenen Vorsorgeuntersuchungen bzw. die Beratung bei Beschwerden oder Problemen, wie Infektionen, Erektionsstörungen etc. ans Herz zu legen.